Vor knapp zwei Monaten musste ich euch in meiner Filmvorschau gestehen, dass ich ´Elliot, das Schmunzelmonster´ noch nicht gesehen hatte. Seitdem ist viel passiert – nur den Original-Film habe ich immer noch nicht geschaut (bzw. nur einen kleinen Teil davon). Das lag allerdings nicht nur an meiner Tendenz zur Prokrastination, sondern zu einem guten Stück auch daran, dass ich es irgendwie spannend fand, den neuen Film vollkommen unvoreingenommen auf mich wirken lassen zu können.
Deshalb liegt es auf der Hand, dass ich in dieser Filmempfehlung ´Elliot, der Drache´ weitestgehend losgelöst von ´Elliot, das Schmunzelmonster´ betrachte und nicht versuche, ständig Vergleiche zum Original zu ziehen.
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Dieser Ansatz sollte in jedem Fall für all diejenigen interessant sein, die, wie ich selbst, den Film von 1977 nicht kennen. Aber auch für eingefleischte Schmunzelmonster-Fans können die folgenden Zeile spannend sein, eben weil hier (zumindest theoretisch) eine Perspektive eingenommen wird, die sie selbst nicht haben können. Über den Tellerrand und so. ![😉]()
Schmunzelmonster vs Drache
Trotz des gerade Gesagten, möchte ich nun zunächst doch in kurzer und allgemeiner Form auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Original und Neuinterpretation eingehen, da die Vorlage einfach dazu gehört und es irgendwie unanständig wäre, sie komplett unter den Tisch fallen zu lassen. Ich stütze mich dabei wie gesagt nicht auf ein eigenes, vollständiges Gesehen-Haben des Films, sondern auf das, was das Internet zu Machart und Plot des Klassikers hergibt.
Einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen Schmunzelmonster- und Drachen-Version ist der, dass erstere recht stark Musical-lastig war, wohingegen der aktuelle Film darauf überhaupt keinen Fokus setzt (auch wenn die Filmmusik durchaus gut ist).
Ebenso augenfällig ist die Tatsache, dass Elliot bzw. „El Jott“, wie er in der 1977-Synchro so schön genannt wird, als Schmunzelmonster handgezeichnet in den Realfilm integriert wurde, als Drache nun aber per CGI in Erscheinung tritt.
Super grün und super flauschig
Auch Elliots Aussehen bzw. Anatomie hat sich stark geändert: War er im Original eher ein Echsen- oder Schlangen-artiger Drache, hat er für meine Begriffe nun deutlich eher die Züge eines Drachen-Hundes mit dem grün-flauschigsten Fell der Kinogeschichte, bei dessen Anblick man sich unwillkürlich seinen eigenen Couch-Elliot fürs Wohnzimmer wünscht.
Den Animatoren zufolge orientierte man sich, vor allem was die Bewegungsabläufe angeht, neben Hunden aber auch an Katzen, Löwen und Affen. Welches dieser Tiere für Elliots Lauf in der folgenden Szene Vorbild war, kann man, denke ich, recht gut erkennen, oder? ![🙂]()
Wenn ich mir den alten und den neuen Elliot so anschaue, komme ich außerdem nicht umhin, den Junior deutlich bedrohlicher zu finden als den Senior. Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen: Elliot ist ein aus der Tiefe seines Herzens gütiges, verspielt-liebenswürdiges Wesen, das friedvollen Menschen niemals ein Haar krümmen würde. Aber allein die Vorstellung, was er mit einem machen könnte, wenn man ihm dumm kommt, ist dann doch etwas angst- bzw. zumindest respekteinflößend – und im Film hat er durchaus auch seine gefährlichen Momente.
Die Handlung
Nun aber zum Film selbst und den endgültig letzten Absätzen, die sich noch auf die schmunzelmonsternde Filmvorlage beziehen: „So viele Menschen sind mit dem Original aufgewachsen, und die Grundidee dieses Films blieb auch unser Ausgangspunkt“, sagt Elliot-Produzent Jim Whitaker. „Wir waren überzeugt, dass diese an sich sehr simple Story über einen Jungen und seinen Drachen noch immer das Potenzial für einen außergewöhnlichen Film hatte.“
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Natürlich hat er damit Recht, denn offenkundig geht es auch im neuen Film im Kern um einen Jungen mit seinem äußerst außergewöhnlichen besten Freund. Und dennoch: Abgesehen von dieser gerade erwähnten Kernkonstellation greift die aktuelle Version nur ganz vereinzelt gewisse Motive des ursprünglichen Stoffes auf, macht daraus aber etwas ziemlich Neues.
Deshalb ist ´Elliot, der Drache´ eindeutig als ein ganz eigenständiges Werk anzusehen, das – im Gegensatz zu bspw. ´The Jungle Book´ – eher freie Neuinterpretation als Remake im klassischen Sinne ist und ohne jeden Zweifel für sich alleine stehen kann… und wie es das tut!
Auf den Plot selbst möchte ich im Detail nun gar nicht eingehen, sondern mich hier auf drei Hinweise beschränken: Zum einen verweise ich auf den Trailer, der einem schon eine vielversprechende Ahnung vermittelt, dass ´Elliot, der Drache´ ein wirklich tolles Kino-Erlebnis ist (so war es zumindest bei mir) und zum anderen halte ich an dieser Stelle schon einmal grob fest, dass der Film eine Art Märchen-Abenteuer ist, das um die Themen Freundschaft, Mut und Zusammenhalt/Zugehörigkeit kreist.
Drittens und letztens ist bemerkenswert, dass es der Film offen hält, zu welcher Zeit er denn eigentlich spielt. Recht sicher ist, dass es nicht die Gegenwart, sondern die Vergangenheit ist, aber obwohl ich persönlich auf die 1980er Jahre tippen würde, bleibt dies nur eine Vermutung und die genau zeitliche Verortung unklar. Dadurch erhält ´Elliot, der Drache´ etwas Zeitloses; der Film schwebt geradezu – ähnlich wie Elliot über den Wolken – über der Zeit und sichert sich so seine Relevanz im Heute: Was wir sehen, könnte trotz aller Vintage-Klamotten, FeTAps und Co. gestern, heute oder morgen passieren (sofern man denn an Drachen glaubt, natürlich).
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Cast & Crew
Beginnen wir die intensivere Beschäftigung mit ´Elliot, der Drache´ lieber mit den Menschen, die den Film Wirklichkeit werden ließen, um danach darauf zu sprechen zu kommen, warum ich persönlich der Meinung bin, dass wir es hier mit einem der besten Filme des Jahres zu tun haben, der für mich sogar annähernd auf einer Stufe mit ´The Revenant – Der Rückkehrer´ steht.
Regie führte der relativ unbekannte Amerikaner David Lowery (´Saints – Sie kannten kein Gesetz´, demnächst aber auch ein neuer ´Peter Pan´), der zusammen mit Toby Halbrooks, mit dem Lowery auch bei den beiden genannten Projekten zusammenarbeitet/e, auch das Drehbuch verfasste.
Im (menschlichen) Cast stechen in meinen Augen zwei Schauspieler heraus: Pete-Darsteller Oakes Fegley, der eine solche kindliche Wildheit ausstrahlt, dass man ihm den sechs Jahre im Wald lebenden Einsiedler jederzeit abnimmt und „Försterin“ Bryce Dallas Howard (´The Village – Das Dorf´, ´Jurassic World´), die viel Wärme mit einbringt und ganz maßgeblich zum Gelingen des Films beiträgt.
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Gekonnte Unterstützung erhalten die beiden von Altmeister Robert Redford (´Die Unbestechlichen´, ´The Return of the First Avenger´), Nachwuchstalent Oona Laurence (´Southpaw´, ´Bad Moms´) sowie von Wes Bentley (´Interstellar´, ´Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele´) und Karl Urban (´Der Herr der Ringe´, ´Star Trek´). Letzterer übernimmt die Rolle des Bösewichts, wobei man lobend erwähnen muss, dass insgesamt auf eine simple Schwarz-Weiß-Zeichnung der Figuren in „Gut“ und „Böse“ verzichtet wird, was dem Film sehr gut tut.
Der dritte Hauptdarsteller ist aber natürlich eindeutig Elliot selbst, der ein wahres CGI-Meisterwerk ist, insbesondere angesichts dessen, wie er es schafft, dem Zuschauer vom Schmunzeln bis zum Weinen die gesamte Gefühlspalette miterleben zu lassen – und das mit einer beeindruckenden, spielerischen Leichtigkeit.
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102 Minuten echte Gefühle
Damit sind wir nun auch direkt bei dem, was ´Elliot, der Drache´ so besonders macht: Von der ersten Minute an nimmt einen der Film mit auf eine emotionale Reise, in deren Verlauf er es – trotz gerade zu Beginn recht langsamem Erzähltempos – verdammt oft schafft, die großen Kino-Momente bzw. -Gefühle heraufzubeschwören, um diese Meisterleistung dann im Finale sogar noch einmal zu übertreffen.
Die zentralen Themen des Films – Freundschaft, Mut, Abenteuer, Magie und (Familien-) Zugehörigkeit – sind natürlich per se schon stark emotional aufgeladen, aber wie viele Filme gibt es, bei denen dieses Potential ins übermäßig Sentimentale oder gar Pathetische abdriftet? Diese Klippen umschifft Regisseur Lowery nicht nur gekonnt, er reitet vielmehr stattdessen die perfekte Gefühlskino-Welle, wie ich es ganz selten zuvor gesehen habe.
In den Mittelpunkt stellt er dabei die Frage nach dem Zuhause: Wohin/zu wem gehört man eigentlich? Wie entscheidet man sich, wenn man plötzlich vor der Wahl zwischen zwei Welten steht, denen man sich beiden zugehörig fühlt?
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Magischer Realismus
Behandelt wird diese Frage im Film anhand einer Art magischen Realismus‘, der alles beherrschendes Stilmittel und Moral zugleich ist. – Diese These muss ich, denke ich, etwas erläutern. ![😉]()
Magie ist, wie zuvor bereits gesagt, eines der Hauptthemen des Films. Sie ist durch die pure Existenz eines magischen Drachenwesens gegenwärtig, wird aber auch durch die Figuren, insbesondere Redfords Mr. Meacham, direkt angesprochen. Zudem ist es recht offensichtlich, dass der im Film öfters verheißungsvoll wehende Wind als Metapher für Magie zu verstehen ist.
Vor allem in Bezug auf die letzten beiden Punkte ist „Magie“ hier ausdrücklich nicht à la Harry Potter zu verstehen, sondern steht für all das, was über eine nüchterne, rein auf Fakten basierende Weltanschauung hinaus geht.
In diesem Sinne ist sie auch auf der Handlungsebene und in den Figurenkonstellationen entscheidende Triebfeder. Was diesen Aspekt angeht, will ich hier jedoch nicht spoilern, weshalb ich es mit dieser Andeutung gut sein lasse und statt weiterer Ausführungen dazu lieber direkt auf den zweiten Teil meiner etwas rätselhaften These eingehe, dass im magischen Realismus des Films zugleich auch seine Moral liegt.
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Elliot ist für mich das, was Deutschlehrer (glaube ich) eine Allegorie nennen: Er steht für all das, was darüber hinaus geht, was unser Verstand für wahr und real hält – etwas, das eher in unserer Fantasie liegt und auf das wir nur Zugriff haben, wenn wir uns darauf einlassen, die geregelten Bahnen des Rationalen zu verlassen.
Genau das ist die Magie, von der der Film lebt: Elliot beweist, dass es mehr gibt, als wir für wahr halten und zeigt damit auf, dass man auch als Zuschauer seiner Fantasie gegenüber offen sein sollte und sich darauf einlassen sollte, zu träumen. Denn so kann und wird, ganz im klassischen Disney-Sinn, etwas Magisches entstehen, das die oft so nüchterne Realität, in der wir alle leben, bereichert.
Also, nehmt euch diese Moral zu Herzen und geht mit offenen Augen für all das Magische durch die Welt, das das Leben umso schöner macht, wenn man es sich bewahrt! ![😉]()
Fazit
Es ist, denke ich, klar geworden, dass ich mich dem Teil der überwiegend positiv gestimmten Kritikern anschließe, der den Film mit Superlativen bedacht hat.
´Elliot, der Drache´ ist ein mitunter witziger, oft rührender und stets magischer Film, der es wie kaum ein Werk vor ihm schafft, eine fast schon surreale Vielzahl an großen Kino-Gefühlen aufkommen zu lassen und sich dadurch seinen Platz in der Hall-of-Fame der besten Disney-Filme aller Zeiten mehr als verdient hat.
Für mich ist es eindeutig mehr als ein Kinder- bzw. Familienfilm, sondern als Four-Quadrant-Movie jedem Kinogänger zu empfehlen, der nicht nur den Größen-Unterschied zwischen großer Leinwand und Heim-„Kino“ kennt, sondern auch den emotionalen Unterschied zwischen beiden zu schätzen weiß.